Das hautsympathische Multitalent
Musselinstoff wird vor allem mit Kleidung und Tüchern für Babys in Verbindung gebracht. Auch als Schal ist der Stoff häufig bekannt. Dabei kann das hautsympathische und atmungsaktive Gewebe noch viel mehr. Musselinstoff ist ein wahres Multitalent und eignet sich für eine große Vielfalt an Nähprojekten. Mit ein paar einfachen Tipps lässt sich das Material wunderbar verarbeiten und macht mit der richtigen Pflege auch bei stark beanspruchten Kleidungsstücken lange Freude.
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Musselinstoff hat eine lange Geschichte
Bereits im 17. Jahrhundert soll Musselinstoff hergestellt und verarbeitet worden sein. Seinen Ursprung soll die Webware in Bangladesch haben, wo noch weit bis ins 19. Jahrhundert hinein die feinsten und hochwertigsten Gewebe gefertigt wurden. Seinen Namen verdankt der Musselinstoff allerdings der Stadt Mosul im heutigen Irak. Dort ist Marco Polo darauf aufmerksam geworden und hat den Stoff aufgrund seiner regionalen Herkunft Mossolina genannt. Auch heute noch ist die Schreibweise Mousselin gleichermaßen verbreitet.
Besonders beliebt wurde Musselinstoff gegen Ende des 18. Jahrhunderts und behielt seine Popularität bis ins 19. Jahrhundert hinein. Der modische Empire-Stil ist ohne weißen Musselin als Grundlage kaum vorstellbar. Seither hat der Musselinstoff immer wieder neue Blütezeiten erlebt. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ist das Gewebe vor allem für seine Verarbeitung zu Babykleidung, Stoffwindeln und Spucktüchern bekannt. Dass das Material noch deutlich vielseitiger eingesetzt werden kann, zeigen zahlreiche modische Ideen und Inspirationen. Inzwischen ist der Musselin zu einem echten Modestoff avanciert, der Kleidungsstücke zu einem echten Hingucker machen kann.
Struktur und Stoffeigenschaften
Musselinstoff besteht meist aus 100 Prozent Baumwolle oder 100 Prozent Wolle. Seltener wird die Webware auch aus Viskose oder sogar aus Seide angeboten. Die Fäden werden bei der Herstellung in Leinwandbindung gewebt. Diese verleiht dem Material später seine Elastizität und die beliebte Crinkle-Struktur.
Da Musselin sehr dünn und durchscheinend ist, werden je nach gewünschter Dicke des Stoffes zwei oder mehr Lagen des Gewebes aufeinandergelegt und punktuell miteinander verwebt. Durch die nur leicht aufeinandergelegten Schichten kann später die Luft gut dazwischen zirkulieren, was dem Material seine atmungsaktive und leichte Qualität verleiht und es zum perfekten Begleiter für leichte Sommermode macht. Außerdem ist der Lagenlook des Musselinstoffes besonders saugstark und kann Feuchtigkeit aufnehmen und nach außen ableiten. Je mehr Lagen verarbeitet werden, desto saugfähiger und weniger durchscheinend wird der fertige Musselinstoff.
Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Stoffschichten isolieren gleichzeitig gut gegen Wind. Diese Eigenschaft hat den Musselinstoff auch als Grundlage für modische Schals und Halstücher beliebt gemacht. Seine Crinkle-Struktur macht den Stoff nicht nur optisch ansprechend, sondern auch besonders weich und anschmiegsam. Außerdem bleibt sie auch nach häufigem Waschen erhalten und sorgt dafür, dass Musselinstoff nicht gebügelt werden muss. Die Crinkle-Struktur kann durch Bügeln weitgehend geglättet werden. Nach dem Waschen zieht sich das Material aber wieder in seine ursprüngliche Struktur zurück.
Musselinstoff vernähen
Mit Babykleidung, Stoffwindeln, Spucktüchern und Schals ist das Repertoire, das Musselinstoff bietet, noch längst nicht ausgeschöpft. Auch wunderschöne Sommerkleidung lässt sich aus diesem weichen, hautsympathischen und gleichzeitig strapazierfähigen Material herstellen. Musselinstoff eignet sich zum Beispiel hervorragend für fließende Sommerkleider und luftige Blusen, aber auch für Röcke und Tops. Auch Bettwäsche aus Musselinstoff ist ein tolles Nähprojekt für sommerliche Tage.
Stoffmenge bemessen
Für Nähprojekte aus Musselinstoff sollten nach dem Maßnehmen auf die ermittelte Stoffmenge ungefähr 20 bis 30 Prozent aufgeschlagen werden. Aufgrund seiner besonderen Crinkle-Struktur kann das Gewebe beim ersten Waschen um bis zu 30 Prozent einlaufen und die berechnete Stoffmenge reicht anschließend möglicherweise nicht mehr für den Zuschnitt.
Waschen
Vor der Verarbeitung sollte Musselinstoff immer bei 30 Grad vorgewaschen werden, um die Möglichkeit des starken Zusammenziehens bei der ersten Wäsche zu berücksichtigen. Weichspüler sollte der Wäsche bei Musselinstoff nicht beigegeben werden, da das Material ohnehin von Waschgang zu Waschgang weicher wird und seine weiche und anschmiegsame Struktur am besten ohne Zusatzstoffe behält.
Trocknen lässt sich Musselinstoff am besten an der Luft, nicht im Trockner. Das schont das Gewebe. Auf der Wäscheleine sollten möglichst keine Wäscheklammern verwendet werden, da sie sich in das feine Gewebe eindrücken und unschöne Druckstellen hinterlassen, die nur durch erneutes Waschen oder feuchtes Bügeln wieder entfernt werden können.
Zuschneiden
Musselinstoff lässt sich nach dem Waschen und Trocknen sowohl mit einer guten Stoffschere als auch mit einem Rollschneider zuschneiden. Wichtig ist dabei allerdings, dass der Stoff zwar glattgestrichen, aber nicht gedehnt wird, da er sich ansonsten nach dem Zuschnitt wieder zusammenzieht und das Nähergebnis verfälschen kann. Als Schnittmuster eignen sich sämtliche Schnittmodelle, die für Webware ausgelegt sind.
Soll der Musselinstoff aus optischen Gründen gebügelt werden, ist es wichtig, diesen Schritt erst nach dem Zuschnitt vorzunehmen. Wird das Material erst gebügelt und anschließend zugeschnitten, zieht es sich bei Nässe immer wieder in seine ursprüngliche Struktur zurück und das Schnittmuster passt möglicherweise nicht mehr.
Die Nahtzugabe darf beim Zuschneiden von Musselinstoff gerne etwas großzügiger bemessen werden. Statt der häufig angegebenen 1 cm Nahtzugabe sollten 1,5 bis 2 cm gewählt werden. Ist die Nahtzugabe zu knapp, kann es passieren, dass die Nähmaschine den Stoff beim Vernähen einzieht und nicht mehr das gewünschte Nähergebnis liefert.
Nähmaschine
Musselinstoff ist nicht nur besonders weich, sondern auch äußerst strapazierfähig. Deshalb muss er nicht zwingend mit einer Overlock vernäht werden. Auch eine einfache Nähmaschine wird mit diesem Material in der Regel problemlos fertig. Da Musselinstoff aufgrund seiner besonderen Struktur an den Rändern ausfransen kann, sollten Nähprojekte immer versäubert werden, um lange Freude daran zu haben. Kommt die Overlock zum Einsatz, kann ein einfacher Rollsaum oder ein klassischer Overlockstich ausreichen.
Die meisten Nähmaschinenmodelle vernähen Musselinstoff bei einer Stichlänge von 3 bis 3,5 mm besonders gut. Die etwas größere Stichlänge sorgt dafür, dass die Naht sich der natürlichen Struktur des Gewebes anpassen kann und es nicht ungewollt zusammenzieht.
Sollte der Stoff beim Nähen nicht gut transportiert oder zu stark eingezogen werden, kann es helfen, den Druck des Nähfußes an der Maschine zu verringern oder einen speziellen Obertransportfuß zu verwenden.
Beim Nähen sollte der Weitertransport des Stoffes sanft unterstützt werden, ohne am Gewebe zu ziehen, da die Nähnadel ansonsten Löcher im Stoff verursachen kann.
Nähnadeln und Garn
Musselinstoff lässt sich mit einer Standardnadel in 70er Stärke vernähen. Gut geeignet sind auch Jerseynadeln, da sie die Fasern bei Nähen auseinanderschiebt, anstatt sie zu durchstechen. Das kann das feine Gewebe des Musselins schonen. Kommt eine Jerseynadel zum Einsatz, sollte allerdings ein Stretchstich gewählt werden, damit sich der Stoff und die Naht nicht wellen.
Ein spezielles Garn ist für die Verarbeitung von Musselinstoff nicht erforderlich. Um langfristig die Maschine zu schonen und auch anspruchsvolle Nähprojekte umsetzen zu können, sollte die Wahl aber immer auf ein hochwertiges Garn fallen.
Mit diesen einfachen Tipps lässt sich Musselinstoff ganz leicht verarbeiten und wird schnell zur perfekten Grundlage für viele sommerliche Nähprojekte.